Projekt

SHIFT

Nachdem es mehr als 150 Jahre gedauert hat, bis die Fotografie endlich als vollwertige Kunstform anerkannt worden ist, wird jetzt von zahlreichen Kunstkritikern bereits ihr bevorstehendes Ende postuliert. Mit geschätzten 40 Milliarden täglich geschossener Fotos sei ein Punkt erreicht, an dem keine neue ästhetische Aussage mehr möglich sei, lautet die These.

Zurzeit ist völlig offen, ob die Entwicklung tatsächlich dazu führen muss, dass die Fotografie unter der Last ihrer eigenen Produktion zusammenbricht.

Die kreative Praxis zu befördern, das Medium Fotografie in Zeiten der Krise, vielleicht sogar an der Schwelle zu seiner Neuerfindung aktiv zu begleiten, gehört zu den erklärten Zielen der Gruppe SHIFT.

SHIFT ist ein weiter wachsendes Netzwerk ambitionierter Fotografinnen und Fotografen aus der StädteRegion Aachen, das seine Mitglieder untereinander vernetzt und ihnen eine Plattform zur Präsentation ihrer Arbeit bietet.

In Zusammenarbeit mit dem KuK und der StädteRegion Aachen organisiert SHIFT Ausstellungen seiner Mitglieder. 2017 und 2018 waren zunächst jeweils dreiwöchtige Einzel-Präsentationen im sogenannten Kabinett auf der zweiten Etage des Kunst- und Kulturzentrums (KuK) der StädteRegion Aachen in Monschau zu sehen. Am 17. Februar 2019 wurde als Finale für die erste Netzwerkphase eine umfassende SHIFT-Gruppenausstellung auf allen drei KuK-Etagen eröffnet.

Darüber hinaus unterstützt die Website und Artothek "shift-photo.com" die Sichtbarkeit der Mitglieder im Kunstkontext und in der Öffentlichkeit.

Im Zusammenarbeit mit der Agentur Magnum Photos werden professionelle Workshops mit bekannten Mitgliedern der Agentur veranstaltet. Den Anfang machte Richard Kalvar, weitere sollen folgen.

Ob sich die Fotografie nun neu erfindet oder ausgelaugt aus dem Kunstkontext verschwindet, bleibt die spannende Frage zurzeit.

Welchen der beiden Möglichkeiten das SHIFT-Netzwerk mehr zugeneigt ist, lässt sich bereits im Umfeld seiner Wortbedeutung erahnen: Zunächst einmal vermag die SHIFT-Taste die Verhältnisse auf der Computertastatur auf einen Schlag umzukehren. Zum Zweiten lässt die Übersetzung des Wortes SHIFT (verlagern, etwas ändern, verschieben, verrücken) mehr auf positive Veränderung, denn auf Stagnation schließen. Zumal die semiotische Nähe von "verrücken" zu "verrückt" auf geistige Qualitäten schließen lässt, die bisher noch jede in der Krise befindliche Kunstform nach vorne gebracht hat.

Dem Projekt SHIFT gehörten in der ersten Projektphase insgesamt 14 Fotograf_innen an. Einige der Projektteilnehmer_innen haben die Ideengeber Marco Röpke und Ernst Wawra schon bei der Entstehung des Projekts begleitet. Ein anderer Teil der Teilnehmer_innen hat sich aus dem Kreis der Fotograf_innen rekrutiert, die mit dem KuK bereits zusammengearbeitet haben. Nach einer Ausschreibung 2019 ist das Projekt SHIFT Anfang 2020 um drei weitere regionale Fotografinnen und Fotografen gewachsen: Kathrin Esser, Willi Filz und Ole Stragier. Deren Portfolios reihen sich nun in die vorhandenen ein.

Nina Mika-Helfmeier, Aachen, 2017/2020 (ehemalige Kuratorin von SHIFT, bis 2023)


SHIFT (engl. shift, verlagern, etwas ändern, verschieben, umstellen, comp. umschalten)
Die SHIFT-Taste ist Bestandteil der Computertastatur. Dieses Interface wird genutzt um Befehle mittels Tasten an den Computer zu übertragen. Die Computertastatur ist somit fester Bestandteil des Computersystems und kann somit auch als Symbol für die Digitalisierung im Allgemeinen gesehen werden. Die Funktion der Tastatur erfährt mittlerweile eine Verlagerung hin zu anderen Steuerungsmöglichkeiten wie Touchscreen, Sprachsteuerung, Gestensteuerung etc.

Nicht nur in der Textverarbeitung sondern auch in der Steuerung von Betriebsmodi oder Softwareanwendungen, z. B. in Bildbearbeitungsprogrammen, wird die Shifttaste benutzt. In Anwendungen der digitalen Bildbearbeitung kann man z. B. ein Bild in zwei Ebenen duplizieren und die Pixel einer Ebene in der horizontalen und/oder vertikalen Ebene verschieben. Das Bild erscheint dann verrückt, verschoben.

Nie zuvor gab es mehr Verbreitungsmöglichkeiten für fotografische Arbeiten als heute. Die Digitalisierung und das Internet haben wesentlich dazu beigetragen. Auf der anderen Seite wird man als Bilderschaffender mit einem immer größer werdenden wirtschaftlichen Druck und der Selbstbehauptung in einem Zeitalter der Bilderfluten konfrontiert. Zudem gibt es immer die Auseinandersetzung mit sich selbst als Künstlerindividuum in einem Spannungsfeld aus wirtschaftlicher Abhängigkeit und künstlerischem Freiheitsdrang. Die Digitalisierung hat hier eine Verschiebung (engl. SHIFT) in der Herangehensweise der Fotografen und Fotografinnen und der Betrachtung bewirkt.

SHIFT ist ein Netzwerk ambitionierter Fotografinnen und Fotografen der Region, das mittels seiner Web-Präsenz zeigt wie divers sie in ihren Arbeiten, aber auch in ihren Biografien sind und zugleich ein Experimentierfeld für die teilnehmenden Fotografinnen und Fotografen darstellt. Ziel ist es Vernetzung, Austausch und Interdisziplinarität unter den Künstlern und Künstlerinnen herzustellen. Fotografieinteressierte haben hier die Möglichkeit sich einen Überblick von Fotografinnen und Fotografen der Region und ihren Arbeiten zu verschaffen.

SHIFT ist kein starres, fertiges Gebilde. Der Kern der an dem Projekt SHIFT teilnehmenden Fotografinnen und Fotografen hat die Verschiebung von einer analogen Welt zu einer digitalen Welt miterlebt. Im Übrigen genauso wie die Verschiebung von der Analogfotografie zur digitalen Fotografie. Das Miterleben beider Paradigmenwechsel, das sich Hineinfinden in neue Strukturen, hat Auswirkungen und wird in der fotografischen Herangehensweise evtl. anders behandelt, als von den sogenannten Digital Natives. So sollen weitere Fotografinnen und Fotografen im Lauf der Zeit an dem Projekt partizipieren und selbiges bereichern. Als Ergebnis entsteht vielleicht durch diese Artothek eine neue fotografische Kartografie der Städteregion Aachen.

Marco Röpke, Initiator von SHIFT, Aachen, September 2017 (aktualisiert 2020)


Update, Dezember 2023:
Das Projekt SHIFT ist ab Januar 2024 eigenständig und wird in Eigenregie von den beteiligten Fotograf*innen weiter betrieben.





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