Die Besitzer – Irdischer Tand
Ausstellung von Manja Schiefer und Marco Röpke im Kabinett des KuK Monschau, 23.09.-14.10.2018
Die Besitzer - Irdischer Tand
(Die Dinge des Lebens)
Die sicherste Methode, etwas zu vergessen, ist, es zu fotografieren. Das weiß jeder, der schon mal 3000 Urlaubsfotos auf Nimmerwiedersehen in seiner Festplatte versenkt hat. Der Gegenstand, von dem man, wie es so treffend heißt: ein Foto geschossen hat, wird im Kälteschlaf ewiger Immobilität seines Élan vitals beraubt, um im platzsparend, quadratisch, praktisch, zweidimensionalen Aggregatszustand zu den Akten gelegt zu werden. Geschätzte vier Fünftel des Internet bestehen aus solchen kühlen Grüften des Vergessens.
Diese Tatsache machen sich Manja Schiefer und Marco Röpke zunutze. Ihr Plan, sich von überflüssig gewordenem Plunder ihres Haushalts zu trennen, ist, wie wir alle aus Erfahrung wissen, nicht so leicht umzusetzen. Der Idee einer aufgeräumten, nach den Prinzipien des Feng Shui durchlüfteten Wohnung steht ein ganzen Arsenal von Widrigkeiten entgegen: Prokrastination, Sentimentalität, milde bis mittlere Formen der Geisteskrankheit („Das kann ich noch mal brauchen“) und diese rätselhafte Tendenz der Dinge, fest verschweißt, untrennbar an ihren „Besitzern“ zu kleben. Der weise gewählte Titel der Ausstellung, „Die Besitzer“, weist punktgenau auf die zu klärende Fragestellung des hier zu klärenden Problemkreises hin: Wer ist im Beziehungsgeflecht von Mensch und Gebrauchsgegenstand eigentlich der Besitzer und wer der Besessene?
Eine Antwort gibt Karl Marx in seinen Ausführungen über den Warenfetischismus. Das Kapitel „Der Fetischcharakter der Waren und sein Geheimnis“ galt immer schon als Highlight in „Das Kapital“ und legt auf verblüffende Weise den Schluss nahe, dass nicht wir die Dinge beherrschen, sondern diese uns.
Für Marx ist es die Verselbständigung der Dinge, die dazu führt, „dass Menschen im Kapitalismus letztlich von den Produkten ihrer eigenen Arbeit beherrscht werden.“
Legt man noch Sigmund Freuds „Totem und Tabu“ und die Ergebnisse der Hirnforschung von Wolf Singer in die Waagschale, ist es um die Illusion des Freien Willen und einer dem Menschen untertanen Dingwelt geschehen.
Wenn Manja Schiefer und Marco Röpke also ihre Wohnung aufräumen wollen, müssen sie listenreich vorgehen. In einem dadaistisch-zeremoniellem Voodo lösen sie in einem ersten Schritt die Gegenstände von ihrem Gebrauchswert ab. Dieser bildet ja den zähesten Klebstoff, mit dem sich die Dinge an ihre „Besitzer“ ketten (wir erinnern uns: „Das kann ich noch mal brauchen.“)
Die so entstandene skulpturale Neudefinition reicht aber nicht aus, um die Loslösung tatsächlich zu vollziehen. Um die Dinge endgültig ins Reich des Vergessens zu befördern, fehlt noch der goldene (Gnaden)schuss der Fotografie. Der sogenannte „Erinnerungswert“ überträgt sich auf das im Vergleich zum dreidimensionalen Originalobjekt wesentlich platzsparendere, zweidimensionale Fotopapier. (Laut einer privaten, von mir durchgeführten Erhebung werden jährlich ca. eine Trillion Tonnen Gebrauchsgüter einzig und allein auf Grund ihres „Erinnerungswertes“ nicht dem längst überfälligen Kreislauf des Recyclings zugeführt.)
Das Objekt ist also erfolgreich entzaubert und kann nun ohne Gewissensbisse in die ewigen Jagdgründe überführt werden.
Unter keinen Umständen aber darf der erhebliche ästhetische Mehrwert dieser Transfiguration vergessen werden. Trotz des gedanklich gehaltvollen Hintergrundes gelingt Manja Schiefer und Marco Röpke nämlich eine überaus vergnügliche Ausstellung. Dieses Mausuleum stillen Gedenkens stellt einen in der Fotografiegeschichte relativ seltenen Fall dar: Ein Memento mori zum abschmunzeln.
Die kleine Karawane ausgemusterter Gegenstände, entwickelt auf ihrer Wanderung in die ewigen Jagdgründe einen skurrilen Charme, wie man ihn sonst nur von den Werken von Fischli & Weiss oder Dieter Roth kennt. Die heiteren Figurationen der Objekte in ihrer vitalen Farbigkeit zwischen Kinderzimmer und Schminkköfferchen bewirken eine herzerwärmende Solidarität mit diesen, ihren Lebensodem aushauchenden Mitgeschöpfen aus der Dingwelt.
Schiefer & Röpke sind wahre Zeremonienmeister des empfindsam Abschiednehmens, die die ehemaligen Begleiter ihrer Alltagswelt mit derselben Sorgfalt und demselben Respekt behandeln, wie ein fachkundiger Leichenbestatter seine Schutzbefohlenen nicht einfach verscharrt, sondern diese vorher noch ein letztes mal hübsch macht, kämmt und ihnen einen Hauch Wangenröte aufs Gesicht malt.
Wir wissen nicht, was Manja Schiefer & Marco Röpke getan haben, nachdem ihr Werk vollendet war. Es ist aber stark zu vermuten, dass sie sich einen schönen, langen Shopping Nachmittag gemacht haben.
Gabor Baksay
Eine Ausstellung des Projekts SHIFT im Kabinett des KuK Monschau
Eröffnung am Sonntag, 23. September 2018 um 12 Uhr.
Öffnungszeiten:
dienstags bis freitags von 14-17 Uhr sowie
samstags und sonntags von 11-17 Uhr.
KuK Kunst- und Kulturzentrum der StädteRegion Aachen
Austraße 9
52156 Monschau