90° VON OBEN
Ausstellung von Ernst Wawra im Kabinett des KuK Monschau
13.05.-03.06.2018
Du machst deine Fotos von einem Heißluftballon aus. Könnten die Bilder nicht genau so gut mit einer Drohne gemacht werden? – Vielleicht, aber ich befinde mich ja tatsächlich oben im Korb des Ballons und stehe nicht unten auf der Erde. Ich schaue von oben aufs Land und habe meist nur einen kurzen Moment, um das richtige Foto zu schießen, denn der Ballon lässt sich weder lenken noch stoppen. Ich kann die Kamera nicht beliebig positionieren, sondern zunächst treibt uns der Wind an zufällige Orte, und dann bestimmen mein Blick und meine spontane Auswahl das Foto. In meinen Bildern manifestiert sich die erlebte Perspektive, das eigene leibhaftige Überfahren der Landschaft von oben.
Was macht für dich die Qualität eines guten Fotos aus? – Das Faszinierende ist der Wechsel der Standpunkts, der neue, andere Blick. Es ist wie bei der Musik, die dich auf einmal die Welt anders erleben lässt. Oder wie bei der Begegnung mit einem fremdem Menschen, der dir plötzlich nahe ist und dich die Dinge anders sehen lässt. Ein bekanntes Motiv in unbekannter Perspektive. Oder nehmen wir das Meisterwerk mit einem kleinen, aber unübersehbaren Makel. Wie in einem Gemälde. Der besondere Moment im Vorübergehen, den du gerne festhalten würdest. Es ist nie bloß die reine visuelle Gestaltung. Hiervon gibt es Bilder im Überfluss: schöne Postkarten mit viel Wow-Effekt. Die schaut man sich durchaus gerne an. Aber sie haben selten eine längerfristige Wirkung.
Deine Fotos wirken in der Tat sehr malerisch, manchmal geradezu wie abstrakte Gemälde. Charles Baudelaire hat einmal geschrieben, die Fotografie sei der Todfeind der Malerei, sie sei die Zuflucht aller gescheiterten Maler, der Unbegabten und Faulen. Betrachtest du die beiden Medien Malerei und Fotografie als konkurrierend? – Leute mit einer „Anstrengungsphobie“ kommen mit einer Kamera vermutlich schneller zu einem Ergebnis als mit einer leeren Leinwand. Anderseits ist das schnelle Ergebnis ja auch nicht das erstrebenswerte oder das nachhaltige Ziel. Ein Fotograf kann genauso viel Aufwand betreiben wie ein Maler, und bis zum vermeintlich einfach daher kommenden Foto kann man durchaus einen sehr langen Weg hinter sich haben, so wie ein einfaches Gedicht vermutlich nicht so schnell geschrieben wurde, wie man es liest.
Befürchtest du bei deiner Arbeit Berührungspunkte mit gefälligen Postkartenmotiven? – Es geht mir bei der Arbeit nicht um, sagen wir mal, die bunten Heißluftballons vor der kaltweißen Alpen-Schneelandschaft, oder über den roten Mohnfeldern in der Toskana. Mir geht es um etwas anderes: um farblich und kompositorisch miteinander kommunizierende Flächen, beispielsweise wie in der Farbfeldmalerei. Man muss schon unterscheiden zwischen Kunst und Kitsch. Das heißt wiederum nicht, dass Kunst nicht schön sein darf.
Wie hoch siehst du den Anteil des Apparats und den des Fotografen an einem gelungenen Bild? – Bei einer Überwachungskamera sind es ca 99% Apparat und 1% die Person, die den Bildausschnitt eingerichtet hat. Manchmal können auf diese Weise eindringliche Fotos entstehen, z.B. die berühmte Aufnahme des eine Flughafenkontrolle passierenden Mohammed Atta. Das sind aber Ausnahmen. Bei einem Profi ist der Anteil des Menschen am Bild mindestens 90%, würde ich sagen. Der Profi-Fotograf wird mit jedem Apparat ein gutes Foto machen können. Es ist müßig, sich hier generell festlegen zu wollen. Ein musikalischer Virtuose wird auch ein einfaches Musikinstrument zum Klingen bringen. Anderseits, erst mit seinem eigenen Instrument, das er schon lange kennt und das er im Detail beherrscht, gelingt ihm die Perfektion.
Der Titel der Ausstellung ist „90° Von Oben“. Was ist das Besondere an dieser Perspektive? – Wir wollten die Ausstellung ursprünglich „Point of God“ nennen. Es gibt im Film die Bezeichnung „God’s-eye view“ für diese spezielle Art der Vogelperspektive, die dem Zuschauer eine Übersicht des Geschehens gibt, meistens genau aus einem 90°-Winkel von oben. Und so ist es auch im Ballon: man erlebt da oben eine quasi entrückte, übermenschliche Distanz und hat dennoch einen liebevollen Bezug zu den Dingen und dem Geschehen auf der Erde – wie beim Blick auf eine Spielzeuglandschaft. Man schwebt über den Dingen, aber man ist dabei nicht völlig abgehoben.
(Gabor Baksay im Interview mit Ernst Wawra)
Ernst Wawra – 90° Von Oben
13.05.-03.06.2018
Eine Ausstellung des Projekts SHIFT im Kabinett des KuK Monschau
Eröffnung am Sonntag, 13. Mai 2018 um 12 Uhr.
Öffnungszeiten: dienstags bis freitags von 14-17 Uhr sowie samstags und sonntags von 11-17 Uhr.
Adresse: KuK Kunst- und Kulturzentrum der StädteRegion Aachen, Austraße 9, 52156 Monschau.