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KalvarWS1 kleinerÜber seine Fotos redet Richard Kalvar für gewöhnlich nicht oder allenfalls äußerst ungerne. Sie sollen für sich selbst sprechen, ihre eigene kleine, manchmal auch große Geschichte erzählen oder besser noch: Rätsel aufgeben. So wie das Foto einer Frau, die ihren Kopf vor einem keltischen Steinmal in den Boden zu rammen scheint. Der Hintergrund der skurrilen Aufnahme war allerdings eher banaler Natur, wie der in Paris lebende US-Fotograf den Besuchern des Kunst und Kulturzentrums (KuK) Monschau zum Abschluss seiner Ausstellung bei einer Führung am Sonntag verrät: Das Bild zeigt schlicht die Gattin des Fotografen beim Versuch eines Handstands, aufgenommen bei einem gemeinsamen Urlaub. Kalvar bereut es in Monschau augenscheinlich schnell, derart in Plauderlaune geraten zu sein. „Solche Informationen nehmen den Fotos die Magie“, sagt er und grinst ein wenig verlegen in die Runde.

Der 72-jährige Magnum-Fotograf erweist sich im Kuk als Publikumsmagnet. So voll ist es, dass manche Besucher seinen Worten noch vom Flur aus lauschen können. Kalvar beschreibt, wie er fotografiert, wie er manchmal ziellos durch die Straßen seiner Wahlheimat streift, die Kamera im Anschlag, auf der Suche nach dem Motiv, das Menschen auf der ganzen Welt sehen und verstehen werden, weil diese Bilder eine universale Sprache sprechen. Unter den Besuchern sind viele, die ihm nacheifern, was die zahlreichen an Schultern baumelnden Reportagekameras bezeugen. Dieses Publikum interessiert sich vor allem für eine Frage: Wie kann man Menschen in derartigen, oftmals komischen Situationen fotografieren, ohne später vor den Kadi gezerrt zu werden? Kalvar muss schmunzeln. Die Frage ist irgendwie typisch deutsch, bemerkt der Amerikaner. Denn obgleich in den Staaten sonst „jeder jeden verklagt“, ist das Recht für Fotografen ausgesprochen liberal: Wer sich im öffentlichen Raum bewegt, der darf in aller Regel fotografiert werden.

In Deutschland ticken die Uhren dagegen anders. Das wird besonders in dem anschließenden Workshop deutlich, bei dem Kalvar das Gespräch mit Fotokünstlern aus der Aachener Region sucht. „Geht näher ran!“, ist sein Credo, das er beim Besprechen von Teilnehmerfotos immer wieder anbringt. Nur wie? Die Straßenfotografie wird hierzulande durch das wachsende Misstrauen der Menschen gegenüber allgegenwärtigen Handy-Knipsern sowie die herrschende Rechtslage immer mehr eingeschränkt. Wer fremde Menschen auf der Straße ablichtet, stößt vielfach auf wütende Reaktionen, auch wenn die Absichten eines Reportage-Fotografen durchaus ehrbar sind.

Das weiß auch Kalvar. Er fordert seine deutschen Kollegen auf, nicht nachzulassen. Auf der Jagd nach Fotos, die bewegen und später einmal Dokumente ihrer Zeit sein können, sollen sie charmant und höflich sein, raffiniert und notfalls auch unverschämt. Wie das geht, demonstriert er im Kreis der Workshopteilnehmer selbst, indem er scheinbar beiläufig seine Kamera zur Hand nimmt. „Und, haben Sie es gemerkt?“, fragt er. „Ich hatte Sie schon fotografiert, als sie es gar nicht ahnten.“ Bei der Gelegenheit fällt schließlich auf, dass der Fotograf seiner spiegellosen Sony-Kamera ein simples Tarnkleid verpasst hat: Alle hellen Bauteile – inklusive Markenlogo – sind entweder schwarz abgeklebt oder bemalt – auch an seinen Objektiven hat der New Yorker derart eingegriffen: „Als Straßenfotograf muss ich unauffällig sein. Selbst Kleinigkeiten zählen dabei.“
Am folgenden Tag wird Richard Kalvar mit dem Thalys zurück nach Paris reisen. Die Wartezeit will er sich in der Aachener Innenstadt so vertreiben, wie man das von ihm erwartet: fotografierend. „Ich werde in ein paar Nahkämpfe gehen,“ sagt er und lacht wild entschlossen.

Marco Rose
Foto: Marco Röpke


 
Video von Marco Röpke: Kalvar Workshop


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