Ole Stragier

 

Ole Stragier

Die belgische Fotografin Ole Stragier (geboren 1979) hat sich nach einem Studium an der Akademie in Gent zunächst mit inszenierter Fotografie beschäftigt, die sie entsprechend ihrer Weltwahrnehmung künstlich befremdlich gemacht hat. Die Normalität, die im gängig Unperfekten steckt, gilt es freizulegen durch unaufgeregtes Aufspüren und Konfrontieren von Alltäglichkeiten, die der schönen Werbewelt ein von gemischten Gefühlen durchtöntes Dasein entgegenhalten, das in seiner Bizarrerie fast wieder zum Lachen ist und statt bedeutsam oder nur schräg sein zu wollen, gut gemacht sein möchte.


Am Bild eines gefangenen Affen wird ihr Blick für Gegebenheiten deutlich. Einerseits erweist sie dem sich nicht als Schauobjekt gebärdenden Tier Respekt, andererseits macht sie den Affen sichtbar, als in irgendeinem Gehäuse abgestellt und hält ihn in einem gegen die Zooerwartung provokant-genervtem Moment fest, der selbstbewusst und wehrhaft, seiner Situation inne, zu fragen scheint: „Was wollt ihr denn?“ Nett ist das nicht, mitleidig oder witzig auch nicht, eher bildlich untypisch, aber treffend. Neue Erkenntnis durch Bildauswahl bzw. einen neuen Blick und seine inszenierte Betonung. Eine Art markanter Belanglosigkeit strahlt einen Aspekt der Lebenswirklichkeit aus, der so nicht häufig beleuchtet wird.


In ihren Fotografien entsteht ein Blick auf die Natur und Lebenswelt, der von Bedeutsamkeiten nichts wissen will und sie als bekömmliches Ziel gefällig-spektakulärer Bilder ablehnt. Flugzeuge und all die technischen Errungenschaften werden unwichtig, Menschen zeigen sich wie abgestellt und in sich verschlossen, überzüchtete Blumenwiesen sind übertrieben herausgearbeitet, prunkvoll erscheinen sollende Einrichtungen sind durch Lampen überstrahlt und wie abgestellt als verblasster Glanz erkennbar. Wichtigkeiten werden nebensächlich gemacht und als sinnloser Schein deutlich. All diese Fundorte, die als Kulissen von Theaterszenerien und Kinointerieurs sonst mit Bedeutsamkeit klischeehaft aufgeladen werden, sind hier als randständig in ihrer Wirkung zunichte gemacht, auf eine nicht karikierende, eher mitfühlend enttäuschte Weise entblößt. Das Foto selbst ist dabei gut inszeniert und kompositorisch ausgewogen, aber mit einer eigentümlichen Befremdlichkeit aufgeladen, mit Unerwartetem behaftet. Das hat zum einen mit der Auswahl aus dem Pool der situativ gefundenen Fotovorlagen zu tun, die gegenüber einer Malerei, die frei erfinden kann, was sie emotional ausdrücken will, in der Schaffung von Neuland abhängiger ist, da Kniffe und Verschiebungen, Einkürzungen, Färbung und Überlagerungen allein nicht genügen, sondern das Ausgangsmaterial zählt und erzählt. Es ist ein normalerweise von der Medien- und Werbewelt an den Rand gedrängtes Bildmaterial, das keine Begehrlichkeit weckt und uninspiriert und beiläufig gemacht scheint. Hier ist ein ungewollter Realismus wiederzuentdecken.


In der Betonung schon vorliegender Befremdlichkeiten, etwa ein leicht pubertierendes Mädchen, das sich durch seine langen Haare abschottet, spielt sie mit Grenzen, belässt den gärenden Zustand und fordert Verständnis, Einlassen und Gelassenheit. Eine spezifisch neue Variante von Visualisierung des Empfundenen tritt hier zu Tage.


Dirk Tölke

Ole Stragier

1979 im belgischen Kortrijk geboren, lebt und arbeitet sie seit 2006 in Aachen. Nachfolgend Meilensteine aus ihrem bisherigen künstlerischen Werdegang ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Mehr Details und Kontaktangaben finden Interessierte auf ihrer Homepage: www.ole-stragier.com

1997–1999
Kandidatin für Fotografie, Königliche Kunstakademie Gent (KASK), Belgien

1999–2001
Master, Fachbildung Bildende Kunst, Fotografie, Königliche Kunstakademie Gent (KASK), Belgien

2001
Graduierten-Ausstellung der KASK in Gent, Belgien

2004
Gruppen-Ausstellung „Imaginary Places“, Fotomuseum Belgien, Antwerpen, Belgien

2008
Gruppen-Ausstellung „Screenworlds“ mit zeitgenössischer Fotografie aus Flandern im Flämischen Parlament, Brüssel, Belgien

2018
Gruppen-Ausstellung „Lost in myself“, Atelierhaus Aachen, Deutschland

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